Stoffwechselerkrankungen

SELTENE ERKRANKUNGEN

Störungen Des Harnstoffzyklus Und Organoazidopathie

Dabei handelt es sich um eine Familie erblicher Erkrankungen, welche die Elimination von Eiweißabbaustoffen beeinträchtigen und/oder zur Anreicherung von organischen Säuren im Gehirn oder anderen Geweben führen.

Geschichte der Erkrankung und ihrer medikamentösen Behandlung

1932

Hans Adolf Krebs (25.08.1900–22.11.1981) und der Doktorand Kurt Henseleit (1908–1973) entdecken den Harnstoffzyklus. Hans Krebs bekam 1953 den Nobelpreis in der Medizin für seine Entdeckung des Citratzyklus, besser bekannt als „Krebs-Zyklus“, verliehen.

Identifizierung der Argininbernsteinsäure-Krankheit (Argininosuccinat-Lyase-Mangel).

1958
1958

N-Acetyl-L-glutaminsäure, der natürlich vorkommende Kofaktor, der an der Synthese von Carbamoylphosphat beteiligt ist, wird von Leo M. Hall (28.01.1929–02.10.2018) isoliert und beschrieben. Der Kofaktor N-Acetylglutamat ist der wesentliche Aktivator der Carbamoylphosphat-Synthetase I (CPS-I), die in den Mitochondrien der Leber synthetisiert wird und das erste und geschwindigkeitsbestimmende Enzym des Harnstoffzyklus ist.

Identifizierung der Citrullinämie Typ I (Argininosuccinat-Synthase-Mangel).

1962
1962

Identifizierung des Ornithin-Transcarbamylase-Mangels (OTC-Mangel).

Alex Russell berichtet über 2 Cousins mit chronischer Ammoniakvergiftung und geistigem Abbau. Eine Leberbiopsie zeigt eine sehr geringe Aktivität der hepatischen Ornithin-Transcarbamylase.

1962
1961

Der US-amerikanische Kinderarzt und Genetiker Barton Childs (29.02.1916–18.02.2010) berichtet über den ersten Patienten, der am ersten Lebenstag bereits an schwerer metabolischer Azidose und Ketose leidet. Die Störung wurde ursprünglich ketotische Hyperglycinämie genannt, da erhöhte Plasma-Glycin-Konzentrationen in Verbindung mit Ketose vorlagen. Die wahre Ursache der Erkrankung wurde 8 Jahre später gefunden, als die Daten der Schwester des ersten Patienten untersucht wurden, die eine Anreicherung von Propionsäure und Methylmalonsäure zeigten.

Prof. Kay Tanaka (02.03.1929–21.08.2005) berichtet über einen neuen Gendefekt im Leucin-Stoffwechsel, der als Isovalerianazidämie bezeichnet wurde. Professor Tanaka gilt als Pionier der Verwendung der Gas-Flüssigkeits-Chromatographie und der Nuklearen Magnetischen Resonanz zur Erkennung von angeborenen Stoffwechselerkrankungen.

1966
1967

Victor George Oberholzer (1923–16.05.2009) berichtet über den ersten Fall einer Methylmalonazidurie bei zwei Kindern nicht verwandter Familien.

John M. Freeman (11.01.1933–03.01.2014) berichtet über den Fall eines Patienten mit angeborener Hyperammonämie, bei dem verringerte Carbamylphosphat-Synthetase-Werte beobachtet wurden. Dr. Freeman ist ebenfalls dafür bekannt, eine lange Zeit in Vergessenheit geratene Kur, nämlich die ketogene Diät zur Behandlung der Epilepsie bei Kindern, wieder in die allgemeine Praxis eingeführt zu haben.

1970
2003

Carbaglu® wird von der EMA für die Behandlung des N-Acetylglutamat-Synthase-Mangels (NAGS-Mangel) zugelassen.

Carbaglu® wird von der EMA für die Behandlung von Organoazidopathien zugelassen.

2011
2014

Matthias R. Baumgartner schlägt die ersten Leitlinien für die Diagnostik und Therapie von Methylmalon- und Propionazidämie vor.

Symptomatik

Störungen des Harnstoffzyklus treten sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen auf.
Neugeborene mit schwerwiegenden Mutationen werden innerhalb von 36-48 Stunden nach der Geburt schwer krank. Die Störungen werden bei Kindern mit weniger schweren Mutationen oft nicht diagnostiziert, da die Symptome nicht einwandfrei erkannt werden.

Neugeborene mit Harnstoffzyklusstörungen (kurz UCD von Urea Cycle Disorders) sind bei der Geburt normalerweise unauffällig, doch kurz danach können unspezifische Anzeichen und Symptome auftreten, die mit denen vieler Stoffwechselerkrankungen oder auch Infektionen vergleichbar sind, wie Lethargie, Appetitmangel, Erbrechen und Reizbarkeit. Bei den meisten Säuglingen mit schweren UCD kommt es rasch zu einem Hirnödem und entsprechenden neurologischen Problemen. Schwere UCD können unbehandelt zum Koma und Tod führen. Bei leichten UCD kann es durch eine Reihe von Stressfaktoren wie Krankheiten und Operationen zu einer Hyperammonämie kommen.

Bei Erwachsenen mit leichten Harnstoffzyklusstörungen bleiben diese oft unerkannt, da noch ausreichend Enzyme des Harnstoffzyklus gebildet werden, um Ammoniak effektiv auszuscheiden, bis ein Stressfaktor die Enzymfunktion beeinträchtigt oder die Produktion massiver Ammoniak-Mengen verursacht.

Inzidenz

1 von 35.000 Geburten

Faktoren für metabolischen Stress

Sepsis, Operationen und Krankheiten können eine überschießende Produktion von Ammoniak im Körper auslösen und die Funktion der Enzyme des Harnstoffzyklus überfordern, wodurch es zu schweren neurologischen Beschwerden kommt.

Behandlung

Eine medikamentöse und diätetische Behandlung trägt dazu bei, die Ammoniakproduktion zu senken und für alternative Eliminationswege von Ammoniak aus dem Blutkreislauf zu sorgen. Beispielsweise erwies sich, dass Carglumsäure, die ein Analogon von N-Acetylglutamat ist, die Harnstoffgenese verbessert.

Stone WL et al. Urea Cycle Disorders. StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2020-2019

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